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Flugvögel ... einmal nach Inari

Oktober, Feiertag, schönes Wetter und ein Spaziergang am Unterbacher See bei Düsseldorf. "In Finnland ist jetzt die Ruska-Zeit, dann leuchtet der Wald in seinen schönsten Farben." Der Spaziergang und das Gespräch enden mit der verrückten Idee, zum Flughafen zu fahren, um nach einen Last-Minute-Flug nach Finnland zu schauen. Ganz aufgeregt sind wir schon. In der Halle mit den Billigflugangeboten finden wir unter den vielen, vielen Zetteln den einen, der Helsinki für nur 384 DM anbietet. Doch der Schalter ist geschlossen, er macht erst am nächsten Tag wieder auf. Mit den Bildern aus dem Film Zugvögel ... einmal nach Inari im Kopf schlafen wir abends ein.

Aufs Höchste angespannt fahren wir am nächsten Morgen wieder zum Flughafen, und zu unserer Überraschung bekommen wir das billige Angebot und auch den passenden Anschlussflug in die Nähe des Inarisee bis nach Ivalo. Jetzt sind wir Flugvögel ... einmal nach Inari. Kurze Zeit bleibt uns nur, um aus unseren geplanten Hollandurlaub den Finnlandtrip zu machen, und 48 Stunden nach dem ersten Ruska-Gedanken sitzen wir im Flieger.

Kappeli

In Helsinki übernachten wir in einer Jugendherberge am Hafen direkt neben dem Gefängnis. Im Hafen ist Fischmarkt, der einmal im Jahr im Oktober für eine Woche stattfindet. Wir essen uns von Lachs zu Lachs, wandern kulinarisch durch die angrenzende Kauppatori - Markthalle - und lassen den Alltag bei einem frisch gebrautem Bier im schönen Kappeli zurück. Dort schwärmt eine junge Finnin, eine Kunststudentin, von dem Peter Lichtefeld-Film Zugvögel.

Das schönste Wetter herrscht hier. Die Uspenski-Kathedrale scheint von innen her in ihrem Rot zu leuchten. Die Tuomiokirkko – die Domkirche strahlt im weißesten Weiß, im Kontrast dazu der stahlblaue Himmel. Die gelben Blätter der Birken blinken wie tausend kleine Lämpchen an den weißen Bäumen. Ruska-Zeit. Jetzt freuen wir uns noch mehr auf den Inari.

Zugefrorene Seen

Beim Flug über Lappland können wir vereinzelt schon fast zugefrorene Seen beobachten. Aber auch im hohen Norden ist wieder schönes Wetter. Doch die Ruska-Zeit ist hier schon fast an ihrem Ende. Gelbes Laub bedeckt den braunen Boden. Und kein Schnee in Sicht.

Auf dem großen Campingplatz im Kirchdorf Inari sind wir die einzigen Gäste. Wir quartieren uns in einer Hütte ein, genießen das Wolkenschauspiel, die ganz langsam untergehende Sonne, den roten Lichtstreifen, der über den Inarisee huscht und das Tagende verkündet, und die heiße Sauna.

Am nördlichen Ende des Kirchdorfes hat im Frühjahr das Siida eröffnet, ein neues Samen- und Lapplandmuseum. Dahinter schließt das große Freilichtmuseum mit seinen Hütten, Zelten und Fallen an. An der Kasse erzählen wir der Kassiererin, dass wir auf den See hinaus möchten. Sie telefoniert herum, und kurze Zeit später reicht sie uns einen Zettel mit einem Namen drauf: Tapani Lappalainen. Mit seinem Boot will er uns auf den See fahren und uns nach ein paar Tagen wieder abholen.

Tapani Lappalainen wartet an seinem Boot auf uns. Etwas schüchtern erzählt er uns auf Englisch, dass er seit fast 30 Jahren hier im Kirchdorf Inari lebt. Mit der Filmmannschaft hat er vor zwei Jahren Rundfahrten über den See gemacht, aber den Film Zugvögel selbst hat er noch nicht gesehen. Auf der Insel Ukko, der alten Kultstätte der Samen, machen wir eine kurze Rast. Wir wollen von dem Berg dort den riesigen See überblicken. Schön!

Allein

An einer Insel im Südwesten des Inari legen wir an. In der Bucht ist ein Anlegesteg, von wo aus wir zu einer großen und einer kleinen Hütte gelangen. Wir entschließen uns aber, das Zelt aufzubauen. Das Boot mit Tapani Lappalainen verschwindet aus der Bucht. Wir sind allein.

In der großen Hütte finden wir eine Axt, umgestürzte Bäume gibt es genug. Holzfällermentalität, knisterndes Lagerfeuer und heißen Grog, dazu essen wir warmgemachte Spinatteigfladen mit lihapyörykkä - Fleischklößchen. Hier im Norden ist es wie im Westen, wie im Wilden Westen. Vielleicht sind es die Goldgräber im Kirchdorf schuld.

Die Nacht ist kalt. Die Kälte kommt aus dem Boden. Und der See ist kalt. Am Himmel wandert der Vollmond. Die Bäume, die Steine und wir werfen Schatten in die Nacht.

Explodierende Farben

Wir erkunden die Insel. Über Stock und Stein klettern wir im schönsten Sonnenlicht durch den rotbraungrünen Herbstwald. Riesige Findlinge liegen schon seit Urzeiten überall herum. Die toten Bäume haben sich in ihrem letzten Kampf gedreht, gedreht wie die Fasern eines Seils. Das Rot und Braun an der Rinde der Bäume explodiert im Sonnenlicht, die Augen schmerzen. Und keine Tiere. Nur ganz wenige Vögel sehen wir. Am Ufer schauen wir über das kalte Wasser. Wir sind umgeben von unzähligen Inseln. Heute Nacht schlafen wir in der kleinen Hütte.

Auf dem Dach der Holzhütte liegt Moos, wachsen klitzekleine Kiefern. Steil ragt das schwarze Kaminrohr in den Himmel. Drinnen steht ein alter Bollerofen. Wenn wir die Türe schließen, haben wir eine Sauna. Die um den Ofen aufgeschichteten Steine speichern die Hitze und geben sie langsam wieder ab. Eine finnische Heizung.

Es regnet. Wasser vor der Insel. Wasser auf der Insel, Wasser in unseren Schuhen und Jacken. Eine neue Wanderung in einer neuen Umgebung. Es sieht anders aus im Dunst des Regens. Alles scheint zu warten. Auch die Farben warten. Die riesigen Felsbrocken rollen bestimmt gleich weiter.

Kleiner Bär

Der nächste Tag ist dunkler, der Himmel hängt tiefer, und die Insel ist wieder anders. Die Baumstümpfe werden zu Trollen, die Findlingen zu großen Bären, die uns die Zunge herausstrecken. Ein anderer kleiner Bär hat sich bei unserer Hütte niedergelassen. Komisch, dass wir ihn nicht vorher schon bemerkt haben. Ein bisschen unheimlich ist es schon. Aber es ist auch schön, wenn Märchen Wirklichkeit werden.

Wir verlieren das Zeitgefühl auf dem herbstlichen Inarisee und werden brutal von dem brummenden Bootsmotor von Tapani Lappalainen in die andere Wirklichkeit zurückgeholt. Wie verabredet auf die Sekunde genau holt er uns wieder ab. Wir müssen rennen, unsere Rucksäcke greifen und ins Boot springen. "Näkemiin – Auf Wiedersehen" winken wir ‚unserer‘ Insel mit Wehmut zu.

Handschellen

Im Kirchdorf quartieren wir uns in das Hotel Inari ein. Die Übernachtung ist billiger als zuvor in der Jugendherberge und auf dem Campingplatz. Vorletzten Spätsommer wurde hier der Film Zugvögel ... einmal nach Inari gedreht. Hier hofft und bangt die Finnin Sirpa, ob ihr Hannes Sieger im Fahrplanlesewettbewerb wird, während Kommissar Fanck mit baumelnden Handschellen und Handy gespannt am Ausgang auf diesen wartet.

Jetzt ist Happy Hour und kein Wettbewerb. Das Lapin Kulta – das Gold Lapplands ist um diese Zeit sechs Finmark billiger, und an den Tischen sitzen auch ein paar Goldsucher. Wilde Gesellen mit langen Bärten und einem frustriertem Blick in den Augen. Oder ist es Sehnsucht, die Sehnsucht nach dem Gold?

Wieder in Deutschland zurück erreichen uns eine Woche später Wetternachrichten vom Inarisee: Minus sieben Grad, und in Lappland herrscht ein Sturm. Eigentlich kein Wetter zum Campen...

 

Autor: Th. Bujack
Veröffentlichung und Verbreitung nur mit Einverständnis des Autors

Alle Rechte bei der  NORDLANDSEITE, 1998

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Der Inari-See, doppelt so groß wie der Bodensee

 

  Ruska-Zeit am Inari

 

Die Uspenski-Kathedrale

Ukko, die alte Opferinsel der Samen im Inari

 

Gedreht wie die Fasern eines Seils: ein abgestorbener Baum

 

Bullige Hitze durch den alten Bollerofen

 

Ist es ein Bär, ein Troll oder wirklich nur ein Stein?

 

Wanderung im Regen

 

Hier im Hotel Inari wurde der Film Zugvögel ... einmal nach Inari gedreht

 

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