Norwegen
Zur Startseite
Amundsen, der weiße Adler
Amundsen - hier lebte er
Email an den Autor

Das letzte Bild, das von Amundsen aufgenommen wurde.
Foto: Polar Museum, Tromsø 

Amundsen - das Wetterprotokoll
Letzter Kontakt war am 
18. Juni 1928 um 18.45 Uhr

Fünf Tage nach dem Start der Latham 47, am 23. Juni 1928 schildert Ole A. Krogness (1886-1934), Direktor am Geophysikalischen Institut Tromsø, in einem  Brief an Konsul Thiis die Wetterlage am Abflugtag und den letzten Funkkontakt mit der Latham 47:

Tromsö, 23. Juni 1928

Herr Konsul Thiis, Tromsö

bezüglich Ihrer Anfrage kann ich Ihnen mitteilen, was meine Unterhaltungen mit Herrn Amundsen und Dietrichson seit ihrem Aufenthalt hier betrifft:

Herr Dietrichson hatte mich morgens angerufen und nach der Wettervorhersage gefragt. Ich hatte ihm geantwortet, daß es auf der Bären-Insel bisher unverändert Nebel und starken Wind gäbe, Stärke 6, aber daß sich das Wetter nun beruhigt hätte, wie wir vermutet hatten. Wir nahmen an, daß sich der Nebel an der Eisgrenze relativieren würde, die wir nicht weit von der Insel vermuten, da in der letzten Zeit der Wind aus dem Osten ja ausreichend geweht hatte. Wir vermuteten, daß sich der Nebel ungefähr auf halbem Wege zwischen der Bäreninsel und dem Südkap (südlicher Punkt von Spitsbergen) ausbreiten würde. Von diesem Punkt aus (halber Weg zwischen Bäreninsel und dem Südkap) und in nördlicher Richtung kam der Wind aus dem Süden, sie würden dort also einen guten Wind haben. Das Wetter in der gesamten Region Spitsbergen war ruhig und gut. Wir haben dringend empfohlen, Richtung Osten zu fliegen, um die Nebelzone zu vermeiden, die - unserer Meinung nach - sich vielleicht über das ganze Barentmeer ausbreitet. Soweit ich mich erinnere, hat man nicht über das Wetter für eine weitere Route nach Osten gesprochen. Ich habe gefragt, wann sie aufbrechen. Er hat mir geantwortet, daß sie so schnell wie möglich aufbrechen wollten.

Gegen 11.15 Uhr hat mich der Pharmazeut Herr Zapffe angerufen, um sich nach der Wettervorhersage zu erkundigen. Herr Amundsen kam auch an den Apparat. Ich habe ihm mitgeteilt, was ich Herrn Dietrichson über die Wettersituation gesagt habe, aber ich habe ihm darüber hinaus mitgeteilt, daß wir nach dem Wetterbericht, den wir um 11.00 Uhr erhalten haben, unsere Situationseinschätzung in einem gewissen Punkt geändert haben. Es schien im Grunde, daß ein Tiefdruckgebiet angekommen war, das sich von Nord nach Süd über das Meer zwischen Grönland und Spitsbergen ausbreitete. Es könnte sein, daß dieses Tiefdruckgebiet ein nebeliges und dunstiges Wetter und auf diese Weise Schwierigkeiten anläßlich der "Ameri" (?) verursachen würde. Wir haben indessen nicht geglaubt, daß dieses Tiefdruckgebiet ein großes Hindernis sein würde, zum einen war es sehr schwach, zum anderen schien es, daß es sich sehr langsam fortbewegt. Wir vermuteten, daß wir beim Erhalt des nächsten meterologischen Berichts um 14.00 Uhr besser über die Entwicklung dieses Tiefdruckgebietes unterrichtet sein würden. Die Situation erforderte, sofort zu fliegen, man könnte vielleicht eine Chance nutzen, die vorüberginge, wenn man sie abwarten würde. Aber andereseits könnte man Schwierigkeiten bei der Landung haben in dem Fall, daß sich die Tiefdruckzone ein bißchen stärker und schneller entwickelte als erwartet. Herr Amundsen bemerkte, daß es seiner Ansicht nach bedenklich wäre, in einer solch zweifelhaften Situation aufzubrechen und schlug vor, man solle bis zum 14 Uhr-Bericht warten. Es wäre angemessen, nach 14.00 Uhr neu zu beraten bis die Berichte da seien. Er bemerkte ebenso, daß es im Falle von Schwierigkeiten im Norden der Bäreninsel dort einige Seen gäbe, auf denen man vielleicht landen könnte. Wir waren unterdessen im Zweifel, ob diese Seen nicht noch zugefroren sein könnten. Herr Amundsen vermutete, daß sie zugefroren seien. Ich versprach, diesbezüglich Empfehlungen um 14.00 Uhr zu geben. Herr Amundsen hat keine Bemerkung gemacht, die dazu Anlaß gab, daß er nicht damit rechnete, nach Kingsbay zu gehen. 

Er war speziell an den Landebedingungen in Kingsbay interessiert, wie die Eisbedingungen sogar im Fjord selbst von Kingsbay wären. Wir versprachen, dazu Stellung zu nehmen, wenn möglich um 14.00 Uhr. Dann war unsere Unterhaltung beendet.

Kurz nach 14.00 Uhr rief mich Herr Zapffe an und ich sagte ihm, daß sich das Tiefdruckgebiet zwischen Grönland und Spitsbergen kaum verändert und nicht stärker entwickelt hat. Mit anderen Worten hatte sich die Situation entwickelt wie wir es vermutet hatten, und wir waren in der Lage, zu empfehlen, so schnell wie möglich aufzubrechen. Herr Amundsen war bei Herrn Zapffe, aber ich habe ihn diesmal nicht gesprochen. Ich hatte den Eindruck, daß sie sehr in Eile waren und daß sie sich darauf vorbereiteten, so früh wie möglich aufzubrechen. Ich hatte die angeforderten Berichte über die Eisbedingungen von Spitsbergen und der Bäreninsel noch nicht erhalten. Es galt als vereinbart, daß ich ihnen nach Erhalt telefonisch Auskunft erteilen würde, über das Geschäft der Ölgesellschaft, wo das Flugzeug stand. Als ich telefonierte, kurz vor 16.00 Uhr, dachte ich, ich hätte Herrn Dietrichson am Apparat und ich hatte eine kurze Unterhaltung mit ihm. Das Wetter war um 14.00 Uhr beträchtlich besser - auf der Bäreninsel sollte es wolkenlos sein - es schien, daß sie sich entschieden hatten, so schnell wie möglich aufzubrechen. Ich hatte den Eindruck, daß Herr Dietrichson sehr beschäftigt war und daß sie jeden Moment aufbrechen würden. Wir hatten kaum die Zeit, uns über die Kommunikationszeiten abzustimmen, 2x pro Stunde, 15 Min - 20 Min. und 45 Min. - 50 Min., wenn unser meterologischer Dienst es erlaubte und darüber hinaus egal zu welcher Zeit. Ab 19.00 Uhr waren wir mit unseren Berichten beschäftigt. Wir wollten uns auf der Bäreninsel eines Abhördienstes versichern. Dies wurde gemacht. 

Die letzte Nachricht, die wir vom Flugzeug hatten, war um 18.45 Uhr. Es meldete sich in der Kingsbay an und teilte mit, daß sie mehrere Telegramme aufgeben würden. Wir hatten mittlerweile begriffen, daß sie keine Verbindung bekommen hatten.

Ingöy teilte mit, daß sie mit dem Flugzeug um 17.40 Uhr Verbindung hatten. Eine Viertelstunde später haben sie Héler Tqe-Longyearcity gehört - aber seitdem haben sie nichts mehr gehört. 

Nach meiner Unterhaltung mit den Herren folgere ich, daß es ihre Absicht war, nach Kingsbay zu fliegen. Ich gehe nicht davon aus, daß sie einen anderen Plan hatten. Vor allem kann ich in keinem Moment glauben, daß sie die Absicht hatten, östlich entlang Spitsbergen zu fliegen, vor allem, da ich sie darauf aufmerksam gemacht habe, daß sie mit Nebel an der Eisgrenze zu rechnen haben. 

Ich muß dennoch bemerken, daß es etwas zweifelhaft ist, ob die Annahme einer Nebelzone an der Eisgrenze korrekt war. Es ist möglich, daß diese Nebelzone nicht existiert hat - daß der beobachtete Nebel zuvor auf der Bäreninsel andere Ursachen gehabt haben könnte. 

Falls also das Flugzeug dort angekommen ist und dort klares Wetter vorgefunden hat, so kann es sein, daß sie ihre Meinung geändert haben und eine Route östlich von Spitsbergen eingeschlagen haben. Nachdem was passiert ist, erscheint es mir trotzdem als am meisten wahrscheinlich, daß sie dies nicht getan haben. Ich habe den sicheren Eindruck, daß Herr Amundsen sich keinem unnötigen Risiko aussetzen wollte. Ich erinnere mich, daß er sagte, die Mission sei so wichtig, daß man nicht in einer instabilen Wettersituation aufbrechen müsse. Wenn wir die Möglichkeit des Nebels im Osten herausstellen und eine solche Route indiskutabel ist, so deutet dies wahrscheinlich darauf hin, daß es kaum möglich war, eine solche Route zu wählen.

Wir kamen dazu, ein Telefongespräch aus Mjelde zu empfangen, wo einige Fischer ein überfliegendes Flugzeug bei Malangen, 5 bis 6 Orte von Hekkingen, gesehen haben. Sie erzählten, daß der Kurs des Flugzeugs Richtung Osten erstaunlich war. Dies wies darauf hin, daß sie versucht haben, die Nebelzone über der Barentssee die es gab - und die vielleicht immer noch da war - zu vermeiden, eine Sache, die wir Herrn Dietrichson morgens auch nahegelegt hatten, als das Wetter auf der Bäreninsel nicht wolkenlos war. Um 11.00 Uhr war das Wetter auf der Bäreninsel klar, worüber diese Herren informiert waren. 

Andererseits besteht auch die Möglichkeit, daß - als sie bemerkten, daß das Wetter klar sein würde - sie sich für eine mehr östliche Route entschieden haben. 

Ich glaube hinzufügen zu müssen, daß - als ich am Morgen Herrn Dietrichson gebeten hatte, mit den zwei anderen Flugzeugen, die dort waren, aufzubrechen - er derart zögerte, daß ich den Eindruck bekam, diese Frage sei nicht diskutiert worden. Er sagte, nach meiner Erinnerung, etwas in diesem Sinne, daß er dachte, daß man lieber allein aufbreche. Ich habe ihn in diesem Sinne verstanden, daß er entschied, sie müssten so unabhängig wie möglich sein, um größere Aktionsfreiheit zu haben der Entwicklung der Umstände zu folgen.

Mit freundlichen Grüßen etc.

O. Krogness (sign.)

 

Dieser Artikel basiert auf Informationen von Olav Gynnild, dem Autor des Buches "The White Eagle - Roald Amundsen, Sailor of the Skies" von . Er ist Kurator im Norwegischen Luftfahrtmuseum. Das Buch ist auf norwegisch und englisch erschienen, hat die ISBN-Nr. 82-92096-04-3 und kann im Buchhandel bestellt werden

Vielen Dank an Michaela Fröhlings für die Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche!

Veröffentlichung und Verbreitung nur mit Einverständnis der NORDLANDSEITE!

Alle Rechte bei der  NORDLANDSEITE

Quellen:

Olav Gynnild vom Luftfahrtmuseum Bodø, Norwegen

The White Eagle - Roald Amundsen, Sailor of the Skies, Olav Gynnild, Odds Interbok as, 8049 Bodø, Norway, © Norwegian Aviation Museum 2002
Die Bilder sind dem Buch entnommen. 
Vielen Dank für die freundliche Genehmigung!

nach oben

Einer der Schwimmer der Latham 47 wird nach dem Fund untersucht. Das Flugzeug selbst wurde nie gefunden. 2002 wurde eine neue Suche bei Sommarøy, Tromsø, gestartet. Die Grundlage dafür war der Tipp einer 94jährigen Dame, die damals etwas beobachtet haben will.

Foto: Norwegian Polar Institute