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Ein Sommertag auf dem Dalslands Kanal

Der Bootsmotor heult kurz auf, der Bootsführer legt den Rückwärtsgang ein. Langsam tuckert das Kanalboot Dalsland von der Anlegestelle an der Kanalvilla, der ehemaligen Dienstwohnung des Kanaldirektors vom Dalslands Kanal in Håverud, heute eine gemütliche Touristenpension, weg. Wenige Schiffslängen vom Steg entfernt wird der Vorwärtsgang eingelegt, und das mit zahlreichen Urlaubern besetzte Ausflugsschiff fährt in die geöffnete erste Schleusenkammer ein.

Es ist ein herrlicher Sommertag mit strahlend blauem Himmel an der wohl schönsten Wasserstraße in Schweden. In der seenreichsten Region des Landes, Dalsland Nordmarka, nicht weit vom See Vänern entfernt gelegen, verbindet die einzigartige Wasserstraße des Dalslands Kanals ein Labyrinth von Tausenden großer und kleiner Seen miteinander, ein einziges Eldorado für Wassersportler. Der eigentliche, gegrabene Kanal ist nur zehn Kilometer lang, der Rest besteht aus einem 240km langen, schiffbaren Seensystem. Die großartige Natur hat Wildmarkcharakter, das kristallklare Wasser ist so sauber, dass man es - vor allem nördlich von Bengtsfors - bedenkenlos trinken kann. Hier kann man wochenlang unterwegs sein und immer wieder neue, verschwiegene Buchten entdecken, auf Seiten- und Nebenkanäle treffen.

Goldgelbes Getreide und rote Höfe

Die Landschaft um das Seensystem in Dalsland ist sehr hügelig; Wälder, Berge und Seen beherrschen das Landschaftsbild. Man trifft aber hier und dort auf bebaute Flächen, Äcker, auf denen zur Sommerzeit das Getreide goldgelb in der Abendsonne leuchtet, Wiesen und Weiden, die zur Grünlandwirtschaft dienen. Rote Gehöfte, schöne Schlösser und idyllische Handwerksorte lockern das Landschaftsbild auf.

Der Dalslands Kanal wurde als Transportstrecke für Eisenhütten und Sägewerke gebaut. Unter Leitung von Nils Ericsson wurde er 1864-1868 fertiggestellt. Der Kanal zieht als langer, sich schlängelnder Wasserweg vom Vänern durch die dalsländischen Seen und Wälder. Er wird heute von Touristen aus aller Welt besucht und als Wasserstraße für Sportboote genutzt.

"Tag des Aquädukts"

Es war auch Nils Ericsson, der die Idee hatte, den Aquädukt von Håverud, dieses einzigartige Bauwerk, aus Stahlplatten zusammengefügt und mit 33.000 Nieten verbunden, zu bauen. Er leitet den Kanal über die Stromschnellen des Håvreströmmen. Der Kanal wurde vom damaligen König, Carl XV, eingeweiht. Der "Tag des Aquädukts" wird jedes Jahr im Juni gefeiert. Diese Engstelle bei Håverud wird durch die größte Schleusenstation überwunden, wo fünf Schleusenkammern den Höhenunterschied ausgleichen helfen. Eine Fahrt mit einem Kanalboot von Håverud durch das Schleusensystem nordwärts, gehört mit zum Interessantesten, was eine Bootsfahrt auf dem Dalslands Kanal zu bieten hat. Mit dem Schiff M/S Dalsland kann man die technischen Gegebenheiten bei der Überwindung des Håvreströmmen erleben und diese Tour gleichzeitig mit einem Besuch der Felszeichnungen bei Tisselskog verknüpfen.

Langsam schließt sich das hintere Schleusentor, nachdem wir auf unserer Kanaltour in die erste Schleusenkammer eingefahren sind. Wasser schießt in die Kammer, bis das Niveau des höher gelegenen Kanalabschnitts erreicht ist. Als das vordere Tor sich öffnet, setzt sich die M/S Dalsland langsam in Bewegung und gleitet entlang der Gebäude des Dalsland-Center, wo u.a. ständige Ausstellungen zur Wirtschaft der Provinz stattfinden. Hier liegt auch das Kanalmuseum, hier befindet sich die einzige Glashütte der Provinz Dalsland, wo man dem Glasbläsermeister bei der Herstellung von Glas zuschauen darf. Da es die Sonne sehr gut meint, sind alle Plätze der Cafeteria, die zum Kanal hin liegen, besetzt, und die dort Weilenden genießen bei Kaffee und Kuchen das Bootsleben und Treiben der Menschen.

Durch Schleusen

Nachdem mit Hilfe der nächsten Schleuse ein weiterer Höhenunterschied auf dem Weg zum See Åklången gemeistert ist, passieren wir die wohl markanteste Stelle des Kanals. Wir überqueren die Stromschnellen des Håvreströmmen mittels des schon erwähnten Stahlaquädukts. Kurz zuvor haben wir die Brücke der Eisenbahnstrecke Mellerud-Bengtsfors unterfahren. Diese Strecke wird während der Sommersaison - Mitte Juni bis Mitte August - vom rälsbuss, Schienentriebwagen, der Privatbahn Dal-Västra Värmland Järnväg befahren und ermöglicht eine Rundtour mit Boot und Zug. Ansonsten gibt es auf dieser Strecke nur noch regelmäßig Güterverkehr. Ein Stück hinter dem Aquädukt wird dann die Brücke, über die die Straße von Mellerud nach Dals Långed verläuft, unterfahren. Auf dieser Brücke, entlang des Aquädukts und überall an den Schleusentreppen stehen Menschen, die dem Schleusenvorgang beiwohnen wollen. Noch eine Schleuse folgt, und dann haben wir den See Åklången erreicht. Der See ist gänzlich von Wald umgeben, der sich bis dicht ans Ufer erstreckt, wobei Kiefer und Birke den Hauptbaumbestand bilden. Hin und wieder bringen Holzhäuser in typisch dalsländischem Baustil mit ihrem charakteristischen dunklen Rot Farbtupfer in das unendliche Grün. Größtenteils sind es ehemalige Landwirtschaftsgebäude, die jetzt Urlaubern als Sommerquartier dienen. Bei Buterud passieren wir die einzige noch von Hand betriebene Schleuse des Kanals und fahren dann in den See Råvarpen ein. Leichter Wind kräuselt die Wellen und streicht durch die Blätter der nahe am Ufer stehenden Birken. Sanft wiegt sich das Schilf im Takt der Windstöße, und über alles spannt sich ein stahlblauer Himmel. Am rechten Seeufer verläuft die Trasse der Eisenbahnlinie Mellerud-Bengtsfors.

Bronzezeitlichen Felszeichnungen

Und dann taucht das Ziel unserer Bootsfahrt vor uns auf. Auf einer Landzunge, in der Nähe von Högsbyen gelegen, befinden sich die beeindruckenden bronzezeitlichen Felszeichnungen von Tisselskog. Hier ritzten vor rund 3000 Jahren die Bewohner Dalslands Symbole in das weiche Felsengestein, von denen niemand heute mit Sicherheit sagen kann, welche Bedeutung sie haben. Es sind u.a. Menschen, Gebrauchsgegenstände, Schiffe, Fußspuren oder einfache Wellenlinien, die hier zur Abbildung kamen. Die Felszeichnungen liegen unmittelbar am Wasser, das jetzt durch den frischen Westwind spürbar bewegt ist. Das das Ufer säumende Schilf biegt sich unter den Windstößen. 45 Minuten dauert hier der Aufenthalt, Zeit genug, sich mit den Felszeichnungen zu beschäftigen. Dann legt das Boot wieder von der Anlegestelle ab, Richtung Håverud. Unterwegs fahren wir immer wieder an Kanus vorbei, die lautlos durch die Wellen gleiten. Dalsland, mit seinen schmalen langgestreckten Seen, ist ideal für diese Art der Fortbewegung. Wenn man will, kann man tagelang im Kanu paddeln. Abends rastet man an dafür vorgesehenen Lagerplätzen und verbringt dort die Nacht. Man kann aber auch auf einem windgeschützten Platz, den man mit niemandem teilen muß, sein Zelt aufschlagen, sich in den Schlafsack verkriechen und beim leisen Glucksen der Wellen vor sich hinträumen. Dazu ist das Seensystem des Dalslands Kanals bestens geeignet.

Nach gut dreieinhalb Stunden ist die Bootstour mit M/S Dalsland zu Ende, und das Kanalboot steuert wieder den Liegeplatz in Håverud an.

 

Autor: Klaus-Jürgen Fiacre, 1996
Mit freundlicher Genehmigung des NORDLAND FORUM

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