Nordwestpassage
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Die Franklin-Expedition
Die Entdeckung der Nordwestpassage:

Reisen - Entdecken - was ist es weiter als die grosse Sehnsucht des Menschen, hinter das Wesen aller Dinge zu schauen! Wir wissen nicht, woher wir kommen, wir wissen nicht, wohin wir gehen. Um so stärker der Drang, das zu kennen, was um uns ist und unseren wachsenden Kräften erreichbar scheint. Wir wollen das Endliche begreifen, um davon auf das Unendliche, das Unerforschte, das ewige Geheimnis zu schliessen.

...schreibt Heinrich Hubert Houben in seinem 1927 erschienenen Buch „Der Ruf des Nordens“. Die Kulturvölker des Altertums beschäftigten sich schon damals mit der Frage: Was liegt hinter dem uns bekannten Horizont?

Die Irrfahrten des Odysseus im 12. Jahrhundert v. Chr., die er im Mittelmeerraum unternahm, leben bis heute in Homers unsterblichen Gesängen fort und machten Schule. Immer mehr abenteuerlustige Menschen brachen auf, um neue Ufer zu entdecken. Phantastische Geschichten wurden erzählt, Wahrheit und Dichtung verwuchsen untrennbar ineinander.

Herodot von Halikarnaß, Griechenlands erster Geschichtsschreiber, wusste schon die Sagen von den Hyperboräern zu erzählen. Diese wohnten über den brausenden Stürmen. Außerdem kannte er wie auch Homer die Geschichten von den Einäugigen, deren Heimat der hohe Norden war.

Um 500 v. Chr. entsteht die Geschichte über die erste Nordlandfahrt, die allerdings auf unsicheren Quellen basiert. Demnach soll der karthagische Seefahrer Himilco durch die Straße von Gibraltar und bis nach Britannien gefahren sein.

Der griechische Geograph, Mathematiker und Astronom Pytheas aus Massalia, dem heutigen Marseille, startete im 4. Jahrhundert v. Chr., eine Entdeckungsfahrt in den Norden. Sein Werk „Vom Ozean“ ist nur noch bruchstückhaft erhalten. Darin werden auch zum ersten Mal die Germanen erwähnt, mit denen Pytheas um Bernstein handelte. Er umschiffte Frankreich, bereiste die Britischen Inseln, passierte die heutigen Shetland-Inseln und ging wahrscheinlich in Mittel-Norwegen an Land. Diese Region nannte er „Thule“ (ultima Thule = äußerstes Land im Norden). Schließlich gelangte er soweit in den Norden, dass er angesichts der dort treibenden Eisschollen glaubte, das Ende der Welt, das Ende allen festen Landes erreicht zu haben. Zudem berichteten ihm die keltischen Ureinwohner vom „Marima rusa“, dem Toten Meer, welches mit festem Eis bedeckt sei.

Um 825 n. Chr. kommen die ersten Berichte von nördlichen Inseln auf, wo sich fromme Eremiten von der Schafszucht und dem Fischfang ernähren. Diese Inseln dürften die Färöer-Inseln gewesen sein (Far = Schaf, Oe = Insel). Dabei werden auch die Normannen erwähnt. Ohne Navigationswissen und ohne Kompass schicken sie stattdessen einen Raben - einen von Odins heiligen Vögeln - in die Lüfte, um sich an seiner Flugrichtung zu orientieren. Denn dort liegt sicher Land, nämlich unbekanntes Land, wo reiche Beute winkt. Die Wikinger werden zu einer gefährlichen Plage. Sie unternehmen Raubzüge bis zur spanischen und italienischen Halbinsel, dringen bis in das Weiße Meer nach Lappland vor und besiedeln Island und Grönland. So gelangen sie bis nach Amerika, welches sie fünf Jahrhunderte vor Kolumbus entdecken.

Die Erste Deutsche Nordpolexpedition um das Jahr 1040 wird von einigen wagemutigen Seefahrern aus Friesland unternommen. Sie berichten von Gold, Zyklopen und menschenfressenden Hunden an den hohen Nordküsten. Wenn den Berichten überhaupt Glauben geschenkt werden darf, sind sie wahrscheinlich auf die Normannen gestoßen, die damals an der Ostküste Grönlands siedeln und Bronze verarbeiten.

Das Zeitalter der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert) zieht auch viele Abenteurer aus Habsucht auf der Suche nach den Reichtümern der Heiligen Drei Könige immer weiter nach Osten. Auch Marco Polo reist nach China, um dort die Völker zu christianisieren. Der Landweg dorthin ist beschwerlich und zeitraubend. Man nimmt schon zu dieser Zeit an, dass die Erde eine Kugel ist, und so muss es auch folglich möglich sein, von der Westküste Europas über das Grosse Wasser bis in den Orient zu gelangen.

Andere Reisende im Mittelalter erzählen in ihren Reiseberichten vom hohen Norden von „bärtigen Weibern“, von Amazonenvölkern mit schönen Frauen und von Männern mit Hundsköpfen, die bellen.

Im Jahre 1492 landet Kolumbus auf den Bahamas, Kuba und Haiti, im Glauben, Asien erreicht zu haben. Fünf Jahre später betritt Giovanni Caboto, auch John Cabot genannt, als erster Europäer das Festland Amerikas. Er verzweifelt an seiner Suche nach China und Japan, da er bis nach Grönland segelt und keine asiatischen Ländereien finden kann.

Erst 1504, zwei Jahre vor Kolumbus Tod, kommt der italienische Geograph Amerigo Vespucci bei seinen wahrscheinlichen Reisen nach Nord-, Mittel- und Südamerika auf den Gedanken, dass diese Landmassen nicht Asien sondern ein neuer vierter Erdteil sind. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller benennt den neuen Erdteil nach Amerigo = Amerika.

Erwähnenswert sind auch die Reisen des Portugiesen Fernao de Magalhaes, auch Magellan genannt. Er segelt im Jahre 1519 von Europa westwärts um die Spitze Südamerikas nach Asien. Seine Schiffe erreichen nach dreijähriger Reise aus dem Osten kommend den Heimathafen in Spanien, und die erste Erdumrundung der Welt ist beendet.

1517 versucht Sebastian Caboto, Sohn des Giovanni Caboto, im Norden den Westweg nach Indien, die Straße nach Anian zu finden. Dabei kommt er bis zur Hudson Bai. Er findet zwar keine Durchfahrt, aber durch ihn kommen europäische Walfänger bis an die Küsten Nordamerikas.

Nachdem im Westen keine Durchfahrt gefunden worden ist, versuchen es Wagemutige im Nordosten über Norwegen und Russland. Dabei betritt im Jahre 1555 der Engländer Generalpilot Bourrough als erster Mensch die große russische Doppelinsel Nowaja Semlja. Dennoch ist dieser wie auch andere spätere Versuche die Nordostpassage zu erzwingen, aufgrund der großen Mengen Eis gescheitert.

Unterdessen entwickelt sich Holland zu einer führenden Seefahrernation. Spanien und Portugal dulden den neuen Konkurrenten nicht und kapern holländische Schiffe. Zu der Gefahr, gekapert zu werden, kommen die schlimmen Stürme im Indischen Ozean, die ungeheure Hitze am Äquator und die lange Reisedauer von neun bis zehn Monaten. Deshalb suchen die Holländer nach einem anderen, einem neuen Seeweg in den Orient.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts versucht der Holländer Willie Barents die Nordostpassage oberhalb der Küsten Norwegens, Russlands und Sibiriens zu finden. Bei seiner dritten Fahrt - die beiden vorherigen waren gescheitert - entdeckt er 1596 die Inselgruppe Spitzbergen. Er fährt anschließend gen Osten und muss mit seiner Mannschaft auf Nowaja Semlja überwintern, da das Schiff im Eis festfriert. Es ist die erste Überwinterung in der Arktis überhaupt. Nur zwölf Matrosen können sich im folgenden Sommer vom 77. Breitengrad zurück nach Russland retten. Die anderen, unter ihnen auch Willie Barents, finden auf der Insel den Tod. Fast 300 Jahre später werden der Reisebericht und Gegenstände dieser Expedition gefunden, welche jetzt in Amsterdam und in Tromsø zu besichtigen sind.

1577 glaubt der Engländer Frobisher den Weg in die Nordwestpassage zu haben. Von seiner Reise bringt er einen Angehörigen der im Norden lebenden Inuit-Stämme mit, die er anfangs mit Seehunden verwechselt hat. Jetzt kommt das Gerücht in England auf, im Norden sei ein riesiges Goldland, das man „Meta incognita“, das unbekannte Grenzland nennt. Frobisher wird von Königin Elisabeth zum Oberadmiral aller Meere ernannt und führt zwei weitere Expeditionen in die NW-Passage durch. Jedoch entpuppt sich das unter unsäglichen Mühen herbeigeschaffte gelbe Gestein, das man für Gold gehalten hatte, als wertloses Felsgestein, und Frobishers Reisen in den Norden sind damit zu Ende.

Frobisher und der Spanier Caboto waren bis in die Hudson-Bai vorgedrungen, ohne zu wissen, dass es sich um ein Binnenmeer handelt. Der Engländer Henry Hudson kundschaftet im Auftrage der Holländisch-Ostindischen Kompanie um 1611 die Bai aus, die heute wie auch der Hudson-River seinen Namen trägt. Auch er glaubt, dort das offene Meer erreicht und den Seeweg nach Indien gefunden zu haben. Neben der Erkundung der Hudson-Bai kann er mit seinen Schiffen bis zum 82. Breitengrad vordringen.

Den nächsten Anlauf zur Entdeckung der NW-Passage unternimmt der Engländer William Baffin. In den Jahren 1612-1616 erreicht er die Melville-Bai, den Smith-Sund und den Lancaster-Sund. Er ist auf dem richtigen Weg. Aber er scheitert an der Meeresströmung, dem Eis und dem Skorbut. Bei seiner Rückkehr erklärt er, dass das Passieren des nord-westlichen Seeweges als unmöglich betrachtet werden muss. Und daraufhin verschwindet die NW-Passage für zwei Jahrhunderte aus der Entdeckungsgeschichte.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert beschäftigen sich die Engländer erneut mit der Frage, einen kurzen, schnellen Seeweg nach Indien zu suchen. Der Weg über den Nordpol erscheint ihnen gesünder als der qualvolle, verlustreiche Weg über den Äquator. Die damaligen Vorstellungen vom Nordpol gehen über einen riesigen Magnetberg bis zu Wasserstrudeln, die aus der Tiefe kommen und so die Gezeiten verursachen. 10 bis 20 Schiffe verschwinden damals jährlich bei Entdeckungsfahrten in den Nordmeeren.

Nennenswert ist hier der Versuch des Engländers Mister C. J. Phipps, der 1773 mit den beiden besten Schiffen der englischen Marine zum Nordpol vordringen will, aber direkt an der Eisbarriere im Norden Spitzbergens scheitert. Er macht als erster Beobachtungen über den Naturraum im hohen Norden, und sein damals 14jähriger Schiffsjunge Horatio Nelson erlangt später als englischer Admiral Berühmtheit. Von dieser Reise erzählt man sich folgende Geschichte, dass der junge Nelson mit einer Muskete bewaffnet von Bord schlich, um einen Eisbären zu schießen. Das Fell wollte er seinem Vater mitbringen. Doch die Muskete versagte, aber ein vom Schiff abgefeuerter Kanonenschuss ließ das Tier dann flüchten.

Auch vom Osten, von Asien her, gibt es Versuche über Nordamerika Europa zu erreichen. Tscheljuskin und Bering haben bei den Nordischen Expeditionen viele neue Erkenntnisse über Sibirien gesammelt. Der Kosake Gwosdew soll hier genannt sein, der angeblich im Jahre 1730 von Asien über die Beringstraße nach Alaska gelangt ist und dort auf Eingeborene trifft, deren Sprache er nicht versteht. Der deutsche Naturforscher Georg Wilhelm Steller gehört der Bering-Expedition an, die im Juli 1741 Alaska von Asien her betritt.

Im Jahr 1778 kann James Cook am weitesten von Asien aus in die NW-Passage vordringen und erreicht den 70. Breitengrad, ehe Eismassen ihm dem Weg versperren. Durch ihn werden wichtige geographische Erkenntnisse über den Landesraum gewonnen.

An einer anderen russischen Expedition in die Beringstraße nimmt übrigens 1815 der deutsche Dichter Adelbert von Chamisso als Naturforscher teil. Die Schilderung dieser Reise findet sich in seinen späteren Werken wieder.

Das Bild der mächtigen Kontinente Amerikas und Asiens zeichnet sich immer genauer ab, aber um so mehr verzweifelt man an der Lösung des Problems, einen nordwestlichen Seeweg zu finden. Deshalb steht ab 1817 der wissenschaftliche Erfolg einer Expedition im Vordergrund. Es geht darum, die Kenntnisse über die Erde zu erweitern.

Der Walfänger William Scoresby, mit den arktischen Gewässern bestens vertraut, berichtet 1817 den englischen Gelehrten, dass das Eis im Nordmeer infolge eines ungewöhnlich heißen Sommers stark in Bewegung geraten ist. Diese sehen darin eine Gelegenheit, vielleicht sogar bis zum Nordpol vorzustoßen. Es werden im Jahre 1818 zwei Expeditionen unter dem Kommandos von John Ross und David Buchan ausgerüstet. Ersterer soll von der Baffin-Bai aus, zweiterer zwischen Grönland und Spitzbergen aus in das Eis vorstoßen. Beide sollen dann über den Nordpol segeln und weiter bis in den Stillen Ozean weiterfahren. Buchan erreicht den 80. Breitengrad und gerät in heftige Stürme. Darauf bricht er das Unternehmen bei Grönland ab. Ihn und seine Offiziere hat der Mut verlassen. Nur einer ist mit dem Abbruch nicht einverstanden: Der damals 32jährige Leutnant John Franklin, der schon über die halbe Welt gesegelt ist und sich als hervorragender Seemann und tapferer Soldat bei verschiedenen Gelegenheiten bewährt hat.

Unterdessen gelangt James Ross mit seinen beiden Schiffen soweit in die NW-Passage vor, so dass sie den 80. Breitengrad passieren, und die Beobachtungen von Baffin, die er 200 Jahre zuvor gemacht hatte, sich bestätigen. Aber aufgrund einer optischen Täuschung - Kommandant Ross glaubt, eine Gebirgskette versperrt den Schiffen den Weg - bricht Ross den Vorstoß ab. Der Leutnant des anderen Schiffes, William Edward Parry kann Ross von seinem Irrtum nicht überzeugen und muss ebenfalls umkehren.

Kaum in London zurück, unterrichten Franklin und Parry die Britische Admiralität über ihre Vorstellungen der Arktisexpedionen. Die Admiralität ist von den beiden begeistert und beauftragt sie 1819 mit der Erkundung der NW-Passage. Es wird beschlossen, dass Franklin über Land von der Hudson-Bay aus die Nordküste Amerikas erreichen und nach Osten vorstoßen soll, während Parry den Weg durch den Lancaster-Sund weiter verfolgt. Mit etwas Glück sollen beide Expeditionen wieder zusammentreffen.

Parry gelingt es, den Lancaster-Sund zu passieren und bis zur Melville-Insel zu gelangen. Damit überquert er den 110. westlichen Längengrad und gewinnt die für dessen Erstüberquerung ausgelobten 5000 Pfund Sterling. Sein weiteres Vordringen wird aber durch Windstillen und Schneestürmen unmöglich gemacht, und Parry muss auf der Melville-Insel überwintern. Gegen den Skorbut gibt es Zitronensaft, und es erscheint sogar eine wöchentliche Bordzeitung, die erste aller Polarzeitungen. Parrys wissenschaftliche Beobachtungen über Schwankungen der Magnetnadel, Temperaturen, Eisdicke, Nordlicht u. s. w.. bilden die Grundlage für spätere Polarforschungen. Im folgenden Sommer jedoch scheitert Parry erneut am Eis und muss schließlich nach England zurückkehren, ohne mit Franklin zusammengetroffen zu sein. Dort dauert es noch anderthalb Jahre, bis das Schicksal der Franklin-Expedition von den Verschollenen selbst beantwortet werden kann. (1822).

Franklin startet am 19. September 1819 an der Küste der Hudson-Bai seine Landerkundung mit 28 Gefolgsleuten. Durch Schwierigkeiten mit der Nachschubversorgung und mit Indianer gelangt Franklin teils zu Fuß, teils mit Kanu bis zur Coronationbucht über den 110. westl. Längengrad hinaus. Die Rückkehr Franklins und seiner Gefährten entwickelt sich sehr dramatisch: Michel, ein begleitender Irokese, wird vom Hunger getrieben zum Menschenfresser und bringt vier Gefährten um, ehe er von dem Expeditionsarzt Dr. Richardson erschossen wird. Von den 20 Mann, die den Rückweg angetreten haben, kehren sieben in die Heimat zurück.

Sir John Ross möchte seine Blamage mit der Luftspiegelung wieder gutmachen und findet, unterstützt von dem reichen Branntweinbrenner Felix Booth, in dem Dampfschiff „Victory“ eine neue Möglichkeit zur Polarfahrt. Der Dampfmotor funktioniert schon auf der Themse nicht ordnungsgemäß, und Ross baut ihn später kurzerhand aus. Er und sein Neffe James Ross erforschen von 1829 an bis 1833 die NW-Passage bis zur nördlichsten Spitze Amerikas und entdecken dabei den magnetischen Nordpol. Die Rückkehr gelingt der Mannschaft nur unter Mühen. Von der Welt für tot geglaubt, treffen sie in Baffin-Bai auf einen Walfänger, der sie zurück nach England bringt. Vergessen ist damit die Peinlichkeit mit der Luftspiegelung, Kapitän John Ross und sein Neffe James reihen sich endgültig in der Liste der Polarentdecker ein.

Sir James Ross entdeckt und erforscht in den Jahren 1841 - 1843 das völlig unbekannte Südpolargebiet, den sechsten Erdteil. Unterwegs ist er mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“. Eben mit den beiden Schiffen, mit denen John Franklin am 19. Mai 1845 aufbricht, um die NW-Passage zu bezwingen.

Die Franklin-Suche

„Ängstigt Euch nur nicht, wenn es auch länger dauern sollte als vorgesehen.“, so lauten die Abschiedsworte an die Zurückgebliebenen. Am 26. Juli werden sie von einem Walfänger das letzte Mal lebend gesehen, als sie durch das gefürchtete Eis von der Baffin-Bay in den Lancaster-Sund steuern. Über zwei Jahre vergehen dann ohne das geringste Lebenszeichen von der Franklin-Expedition. Drei Suchexpeditionen werden nacheinander in den Nordwesten losgeschickt, um nach der „Terror“ und nach der „Erebus“ zu suchen

Die erste leitet Franklins ehemaliger Expeditionsarzt Dr. Sir John Richardsen durch den Norden Kanadas. Ein Jahr später kommt der Handelsaufseher der Hudson-Kompanie John Rae noch etwas weiter westwärts, kehrt aber auch ohne die geringste Spur schließlich um. Wäre er etwas weiter marschiert, hätte er vielleicht Spuren von Franklin gefunden, und die Welt hätte schließlich nicht einer der spektakulärsten und aufopferndsten Rettungsunternehmen überhaupt erleben können.

Die zweite Suche wird im Juni 1848 von den Kapitänen James Ross und Bird sowie den Offizieren MacClintock und MacClure durchgeführt, die Schiffe sind die „Enterprise“ und die „Investigator“. Im Winterquartier auf der Leopolds-Insel fängt die Mannschaft lebende Polarfüchse und bindet diesen Zettel um den Hals, in der Hoffnung, dass diese von Franklins Mannschaft wieder gefangen werden könnten. Alles vergebens.

Die dritte Hilfsexpedition unter Leutnant Pullen soll von der Beringstraße, also aus Richtung Asien in die Nordwestpassage einfahren. Die Schiffe „Plover“ und „Herald“ bleiben schon frühzeitig im Eis stecken, verlieren sich, treffen sich auf der Chamisso-Insel wieder und sichten auf der Rückfahrt die damals noch unbekannte Herald-Insel und die Wrangel-Insel

Fünf Jahre waren seit der Abfahrt der „Erebus“ und „Terror“ vergangen. Lebte Franklin noch? Die Lebensmittel sollten fünf Jahre reichen. War er gar schon über den Nordpol gesegelt? Gewissheit über Franklin musste dennoch her, darüber waren sich alle einig. Die Admiralität in London setzte 20.000 Pfund Belohnung aus, Lady Franklin, die Gattin von Sir John, erhöhte auf 30.000 Pfund. Commodore Pullen, mittlerweile befördert, versuchte sein Glück zum zweiten Mal von Asien her, wieder ohne Erfolg.

Im Mai 1850 läuft Kapitän Austin mit den beiden Seglern „Resolute“ und „Assistance“ und den beiden Schraubendampfern „Pioneer“ und „Interpid“ in Richtung Barrowstraße und Melville Sund aus. Lady Franklin kauft den Schoner „Prinz Albert“ und schickt diesen unter Kapitän Forsith zur Prinzregenten-Einfahrt. Die „Lady Franklin“ und die „Sophia“ (benannt nach Franklins einziger Tochter) fahren zur Baffinbai. Der 74jährige John Ross nimmt die Suche mit den Schiffen „Felix“ und „Mary“ auf, und die „Nordstern“ von Kapitän Saunders legt im August in Richtung arktisches Meer ab. Der Amerikaner John Grinell schenkt der Suche zwei Schiffe, die „Advance“ und die „Rescue“, die von der Londoner Admiralität ausgerüstet und bemannt werden. Leutnant de Haven, ein Amerikaner, übernimmt ihr Kommando. Proviant für drei Jahre haben die Schiffe „Enterprise“ und die „Investigator“ an Bord. Kapitän Collinson und sein Commodore MacClure müssen zuerst um die Südspitze Südamerikas, dabei zweimal den Äquator überschreitend, um zum Ausgangspunkt für ihre Suche zu gelangen. 14 Schiffe nehmen an der Suche teil, um Spuren oder sogar Überlebende der Franklin-Expedition zu finden.

Bei einer Landung der „Prinz Albert“ auf den Leopold-Inseln findet sich rein zufällig ein Tauende mit dem eingewebten roten Faden der englischen Marine, ein Teil Segeltuch, Holzstücke und Knochenreste von Hammeln und Schweinen. Die erste Spur der verschollenen Franklin-Expedition! Kapitän Forsith kehrt mit diesen Fundstücken sofort nach England zurück.

Dem Walfischfänger Penny fallen bei Kap Riley Schlittenspuren auf. Er findet ein Steinhütte und findet einen Napf und einen Trinkbecher: Zinkgefäße aus Franklins Besitz! Bei der weiteren Suche finden Pennys Männer auf der Beechy-Insel das wahrscheinlich erste Winterlager der Franklin-Expedition nebst drei Gräbern von Matrosen. Aber kein Schriftstück oder Hinweis über das weitere Schicksal von Franklin und seinen Leuten. In der Nähe der Beechey-Insel treffen die Schiffe zufällig zur Überwinterung zusammen. Die amerikanischen Schiffe „Rescue“ und „Advance“ sind für den Winter nicht ausgerüstet und wollen zur Rückkehr aufbrechen. Beide Schiffe bleiben an einem Eisberg hängen, der sie nordwärts zieht bis 75° 25', so hoch wie noch kein anderes Schiff in dieser Region. Bange Wochen haben die von Kälte und Skorbut gezeichneten Mannschaften durchzustehen, ehe sie am 5. Juni 1851 wieder freikommen und endlich zurückkehren können. Die englischen Schiffe, die den Winter wohlbehalten überstanden haben, kehren ebenfalls in diesem Sommer zurück. Nur Kapitän Collinson und MacClure sind jetzt noch unterwegs.

 

Einige Eckdaten der Suche

Frühjahr 1854

Franklin und seine Leute werden als verschollen erklärt, und die Suche wird offiziell aufgegeben.

Juli 1854

Der Engländer Dr. Rae erhält von Inuit, die er auf der Felix-Boothian-Halbinsel trifft, die ersten Hinweise auf Franklin.

Oktober 1854

Rückkehr von MacClure und seiner dezimierten Mannschaft. Er wird als der Finder der NW-Passage gefeiert. Er bekommt aber nur die Hälfte der ausgelobten Belohnung, da ihm nicht die gesamte Durchquerung auf dem Seeweg gelungen ist.

1857 - 59

Sir Francis Leopold MacClintock findet die einzige handschriftliche Notiz der Franklin-Expedition auf der King-William-Insel.

1903 - 06

Roald Amundsen durchfährt mit der „Gjøa“ die Nordwestpassage, die erste Durchquerung mit einem Wasserfahrzeug.

 

 

 

Autor: Th. Bujack

Veröffentlichung und Verbreitung nur mit Einverständnis des Autors!

Alle Rechte bei der  NORDLANDSEITE

Quelle:
H. H. Houben, Der Ruf des Nordens, Wegweiser-Verlag GmbH, Berlin 1927
Siegfried Czapka, Arktis Entdeckungen - Expeditionen - Ereignisse, Ingeborg Trögel Verlag Leverkusen 1997

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Einige Ausrüstungsgegenständer der Barentsexpedition im Polarmuseum Tromsø.

(Foto: nordlandseite)